Verhaltenstherapie

Was ist Verhaltenstherapie

Verhaltenstherapie ist eine wissenschaftlich anerkannte und fundierte psychotherapeutische Methode  und eine von drei Formen der von den Krankenkassen finanzierten sog. Richtlinienpsychotherapie. Die zwei anderen Verfahren der Richtlinienpsychotherapie sind die Psychoanalyse und die aus deren theoretischen Grundlagen abgeleitete tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Dies sind Fachbezeichnungen. Leider suggerieren sie dem Laien im umgangssprachlichen Sinne eine Unterscheidung, die in Wirklichkeit nicht besteht. Auch die Verhaltenstherapie „analysiert“ die „Psyche“ und die Psychoanalyse verändert das Verhalten und beide können „tief“greifend verändern, nicht nur die „tiefen“psychologisch orientierte Psychotherapie.

Die Verhaltenstherapie geht grundsätzlich davon aus, daß Verhalten, Gefühle, Körperreaktionen und Gedanken oder Einstellungen zum großen Teil gelernt sind und in vielen Fällen ein Umlernen durch Organisation neuer Erfahrungen möglich ist.
Verhaltenstherapie hat heutzutage nicht nur ausschließlich mit der Analyse und Veränderung des Verhaltens zu tun. Die Gefühle und das Denken, die Phantasie des Menschen sind integraler Bestandteil der Verhaltenstherapie. Mit der Verhaltenstherapie werden eine ganze Reihe von verschiedenen Methoden angewandt, die jedoch keine eigenen Therapieformen sind. Wenn Sie Begriffe wie „kognitive Verhaltenstherapie“, „Übungstherapie“, „Exposition“ oder „systematische Desensibilisierung“ hören, sind dies alles Methoden, die jeder Verhaltenstherapeut in seinem Repertoire haben sollte. Dies lernt der Therapeut normalerweise in seiner Ausbildung.

Jeder Verhaltenstherapeut arbeitet jedoch etwas anders, je nach seiner Persönlichkeit und nach seinen Erfahrungen mit ergänzenden Methoden.
 So können z.B. familientherapeutische und systemische Methoden hilfreich sein, um die Eingebundenheit der Probleme eines Einzelnen in die übergeordnete Gemeinschaft, z.B. das Ehepaar, die Familie oder die Mitarbeiter in einem Betrieb besser analysieren zu können, oder traumatherapeutische Methoden, die es ermöglichen, emotional erschütternde Erlebnisse angemessen zu verarbeiten. Die Verhaltenstherapie ist deshalb relativ offen für abgesicherte, erprobte Therapiemethoden aus anderen Bereichen. Die ganzen imaginativen oder kognitiven Verfahren, die mit der Vorstellungskraft und Phantasie des Menschen arbeiten, gehören z.B. dazu.

Ein neueres Verfahren ist die Schematherapie. Sie ist eine Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie, die den emotionalen Bereich und frühe biographische Faktoren mit einbezieht und es ermöglicht, problematische Einstellungen und Haltungen, die einer psychischen Störung zugrunde liegen, genauer zu analysieren und zu verändern. Immer stärker wird auch der Aspekt mangelnder Selbstwahrnehmung in der Verhaltenstherapie beachtet, die eine Mitursache von psychischen Störungen sein kann. Mit Achtsamkeitsbasiertem Vorgehen in der Therapie werden die therapeutischen Möglichkeiten erweitert.

 

Phasen einer verhaltenstherapeutischen Behandlung

Diagnostik und 1. Behandlungsphase

In der Verhaltenstherapie findet zuerst eine ausführliche Diagnostik statt (lebensgeschichtliche Anamnese, Verhaltensanalyse, psychologische Tests etc.), die sich über die ersten  Stunden erstreckt und die Aufstellung von Hypothesen über die Entstehung und Aufrechterhaltung der Symptomatik beinhaltet. Es werden machbare Ziele erarbeitet, die am Ende der Therapie erreicht werden sollten.

Der 1. Teil der Behandlung ist darauf ausgerichtet, beim Patienten ein Verständnis für die Ursachen und die Zusammenhänge, unter denen die Symptomatik auftritt, zu entwickeln. Die Ursachen werden in Gesprächen über die Lebens- und Familiengeschichte und die persönliche Entwicklung deutlich. Weitere Zusammenhänge werden aus Gesprächen über die aktuelle Lebenssituation und den Bedingungen, die die Störung gegenwärtig aufrechterhalten, abgeleitet.

Dabei ist auch wichtig zu beachten, welchen „Nutzen“ und welche Bedeutung die Symptome für den Patienten psychisch und zwischenmenschlich haben. Sollte nämlich der „Nutzen“ größer sein, als der Wunsch nach Veränderung, könnte dies einen Erfolg der therapeutischen Bemühungen gefährden.

Gleichzeitig findet in den ersten Sitzungen ein Beziehungsaufbau zwischen Therapeut und Patient statt, auf den auch in der Verhaltenstherapie sehr viel  Wert gelegt  wird, soll  die  Therapie – vor allem in der späteren Veränderungsphase – gelingen.

2. Behandlungsphase

Der zweite Teil, der sich oft mit dem ersten überschneidet, ist, daß die Patienten ihre Symptomatik genauer beobachten und das Problem oder die Symptomatik auf 4 Ebenen zu differenzieren lernen:

  • körperliche Vorgänge (z.B. Herzrasen, Schwitzen)
  • Gefühle (z.B. Angst, Ärger)
  • Gedanken (z.B. „ich bin ein Versager“)
  • Verhalten (z.B. sich zu Hause verkriechen)

Diese vier Ebenen bedingen einander und es ist wichtig, die Ebenen zu finden, auf denen sich Veränderungen am sinnvollsten durchführen lassen.

Weiterhin sollen die Patienten in der zweiten Phase lernen, Auslöser der Symptomatik zu erkennen, um später andere Reaktionsmöglichkeiten zu entwickeln oder die Situation aktiv zu verändern.

Meist ist es auch unerlässlich, die Bedeutung von Einstellungsmustern (z.B. es allen Recht machen wollen) aus der Lebens- u. Familiengeschichte verständlich zu machen und die Bedeutung einer Veränderung herauszuarbeiten.

3. Behandlungsphase

Typisch für die Verhaltenstherapie ist die Veränderungsphase, in der die Patienten angeleitet werden, auch tatsächlich etwas anderes auszuprobieren, neue Erfahrungen zu machen, z.B. durch ein neues Verhalten, andere Kommunikationsformen oder andere Gedanken/Einstellungen, mit denen sie ihre Symptomatik besser kontrollieren  können.

Die Verhaltenstherapie bietet dafür viele Methoden an, die von Entspannungsverfahren, über gedankliche und gefühlsmäßige Neubewertung, Selbstsicherheits-  und   Angstbewältigungstrainings  bis hin zur Trauerarbeit  reichen (was natürlich von der Symptomatik abhängt).

In der Veränderungsphase wird vom Patienten eine aktive Mitarbeit verlangt. Das Ziel ist, dass er über die anfänglichen Einsichten und späteren Bewältigungsmethoden seine Probleme selbst zu „managen“ lernt, so dass der Therapeut nach und nach „überflüssig“ wird.

In der Therapie wird darauf geachtet, daß dem Patienten alle Schritte durchsichtig und verständlich erscheinen. Er ist derjenige, der sich selbstbestimmt für einzelne Schritte der Veränderung entscheidet.

Im Anschluss an die Veränderungsphase wird das neu gelernte Verhalten, die neuen Erlebensweisen und die Problembewältigungsmethoden weiter gefestigt und stabilisiert, so daß der Patient im Falle eines „Rückfalls“, der nie auszuschließen ist, diesen selbst bewältigen kann.

Die Therapien dauern in der Regel 25 bis 45 Wochen, bei einer Therapiestunde in der Woche. Bei umfangreicheren und schon länger bestehenden Problematiken kann sich die Therapie auch auf 60-80 Stunden verlängern.

Des Öfteren werden sog. Übungsbehandlungen mit mehrstündiger Dauer an einem Tag dazwischengeschaltet (z.B. bei der Angstbewältigung).

Grenzen der Verhaltenstherapie

Die Verhaltensteherapie kann keine neue Persönlichkeit aus einem Menschen machen oder über schnelle „Tricks“ oder Ratschläge das Problem „wie von selbst“ verschwinden lassen, wie vielfach erwartet wird. Vielmehr hängt der Erfolg einer Therapie auch von der aktiven Mitarbeit und Motivation des Patienten ab. Wichtig sind hierbei kleine Schritte und häufige Erfolgserlebnisse, vor allem solche, die der Patient – unter Anleitung – weitgehend selbst organisiert.